Montag, 13. August 2007

Stammtisch für Insider, ohne Folgen

(Es treffen sich wie immer am dritten Montag nachdem Jupiter im dritten Haus stand, Vladimir, Joschka, Karl und Hugo auf ein Bierchen bei Leo; Leo hat eine Erkältung, Joschka spricht mit Akzent)

Karl: Los Hugo, lass mich dir die Zukunft voraussagen, zeig mir die Linien deiner Handbedingungen!

Hugo: Was? Musst du immer in Rätseln reden, el commandante versteht dich nicht, was für Bedingungen?

Leo(schnoddert wie ein Elch): Eure Biere ... Er will deine Hand sehen, mach ihm den Gefallen.

Joschka: Da wo ich herkomme trinken wir nur verdünnten Wein...

Leo(schlurft zur Küche zurück, zischend): Du hast noch ganz anderes verdünnt.

Karl: Hugo, Du machst das schon richtig, in Verbindung mit deinem Bierhefesatz sagen deine Bedingungen ohne Umschweife, dass eine revolutionär-demokratische Umwandlung an der Reihe ist, aber mit dieser kurzen Proletarierlinie erreichst du den Sozialismus noch nicht.

Hugo: Wir machen langsam. Aber gut. El presidente macht eine bolivarische Revolution, friedlich. So errreichen wir den Sozialismus des 21. Jahrhunderts.

Vladimir(keucht, spuckt aus): Wer denkt, eine Revolution lasse sich ohne Erschiessungen machen, muss ein Idiot sein.

Karl: Seiner kurzen Stirn nach ist Hugo ein Idiot...

Leo(kommt, gekleidet in eine hellblaue Küchenschürze und bewaffnet mit einem dialektischen Elektromixer, aus der Küche zurück ins Wohnzimmer): Seid nett zueinander, sonst gründen wir wieder eine Extrakommission und stellen die Pflicht zur Gleichschaltung unter das Kriegsrecht!

Joschka: Au ja! Erschiessungen! Fein, nicht wahr, Vladja?

Vladimir(jetzt auch genervt): Nenn mich nicht so, Georgier! Ich nehm dir deine Sekretärin weg!

Joschka: Ha! Einmal im Büro, immer im Büro, einen Sekretär kriegste so leicht nicht aus dem Haus!

Leo(zischend): Wie recht der Bauernlümmel doch hat...

Hugo(mit grossen blauen, fragenden Augen): Muss man zuerst Erschiessungen machen, oder zuerst Einheitspartei?

Leo(immer noch mit Mixere): Das ist ein dialektisches Verhältnis, überhaupt, der dialektische Materialismus hat Antwort auf alle deine Fragen,Hugo.

Hugo: Wer hat meinen Hamster geschwängert? Du oder Joschka?

Leo: Joschka

Karl: Die Geschichte wirds zeigen! Vielleicht schon morgen!

Joschka: Ihr redet, ich handle, so war das schon immer. Eine dialektische Arbeitsteilung von Kopf und Fuss... oder so...

Vladimir: Diese bürgerliche Arbeitsteilung muss aufgehoben werden! Unterstütze sie nicht noch, Joschka!

Leo: Jawohl! Drecksbauernlümmel, lies mal Marx!

Karl(auffahrend aus Revolutionsträumen, neugierig-stolz): Wer liest mich? Wo?

Hugo: Für nächsten Stammtisch wir brauchen Integrationsfigur. Wir sind dialektisch verstritten! Ay!

Leo: Die Einheitsfront (Wie damals... in Deutschland...hach, die Revolution war so nah!) muss wieder her! Eigentlich stimmen wir doch in den wesentlichen Punkten überein!

Joschka: Ich geh pinkeln.

Karl(noch verträumter): Oder wir lassen uns in Parlamente wählen und treffen uns in den Wandelhallen, da hats so kuschelige Sessel... wie damals, in Friedrichs Haus... Dort könne wir uns dann auch einigen.

Hugo: Wieso keine verfassungsgebende Versammlung? Die tagen länger und ohne Zeitdruck, ausserdem...

Leo: Ich organisiere die Erschiessungskommandos für die Bürgerlichen, deren Sitze wir einnehmen werden und du, Karl, organisierst die Nachwahlkampagne, Vladimir, du stehst einfach neben mich, bei allem, was ich tue, ausserdem sorge dafür, dasss meine Haare immer schön im Wind flattern.

Joschka(kommt zurück vom Klo): Gehts los?

Karl: Es ist ein dialektischer, harmonischer Prozess, er hat weder Anfang noch Ende und alles wird gut.

Leo: Die Würste sind die Feinde der Revolution, die Absage an die Dialektik!

Karl(an Leo gewandt): Was sagst du?

Leo: Nichts, ich arbeite an einer neuen Theorie... Na dann, Jungs, vorwärts!

(Alle): Vorwärts!!


kostenloser Counter

Keine Kommentare: