Sonntag, 17. Februar 2008

bye-bye

ich zieh um auf http://pananarchia.blogsport.de/, da solls ja viel schöner sein, nettere nachbarn, viel frische luft und ein naherholungsgebiet mit kinderspielplatz...

Mittwoch, 13. Februar 2008

Ja bin ich denn an allem schuld!?

Es ist kaum mehr auszuhalten. Sie lauern an allen Ecken, kleiden sich in mein schlechtes Gewissen und kennen keine Skrupel! Sie - das sind die grossen Rehaugen des kleinen abgemagerten Kindes auf der Plakatwand, welche mir suggerieren, dass es wegen mir noch nie ein Bambi gegessen hat - das sind die alternativ angehauchten Caritas, Greenpeace und WWF-Berufsschnorrer an belebten öffentlichen Plätzen, sie - das sind Bono, Angelina und Madonna, sie - das ist die nette Hausfrau, die ihr Patenkind im Fernsehen, äh in Afrika, besucht.
Und ihre Botschaft ist klar: DU bist schuld, leiste Sühne, gib uns Dein Geld, denn DU hast es gut, während Afrika hungert, die Tiere aussterben und der Planet seine schöne grüne Farbe verliert. Hast DU denn kein Gewissen?!?

Und ich stehe dann blöde da. Erkläre ich dem netten Hippie vom WWF, dass ich die Rettung nur in einer Weltrevolution sehe, bin ich ihn zwar los, stehe aber nicht besser da... Noch schlimmer, wenn ich es dem stummen Kind von der Plakatwand zu erklären suche...

Das Problem ist ja nicht, dass ich hinter den Rehaugen, den Dreadlocks oder gespritzten Lippen den bösen Willen eines kapitalistischen Wolfs im Schafspelz vermuten würde. Ich habe Respekt vor dem Einsatz und dem Idealismus (naja, es ist auch nur ein Job, oder?) dieser Menschen.

Letztlich dient dieses Engagement aber sowohl dem kapitalistischen System, als auch vielen, von schlechtem Gewissen geplagten, Menschen als Feigenblatt. Erstens wird suggeriert, dass das System reformierbar, gestaltbar ist, dass es nur an uns liegt, dann leben wir nicht mehr in einem ausbeuterischen Kapitalismus, sondern in einer umweltschonenden, Minergie und FSC-zertifizierten Bauernhofhippiekommune...
Zweitens betrügt man sich selbst, beruhigt sein Gewissen durch allmonatliche Zahlungen von, was weiss ich, 5 Franken. Von welchen wohl 2 dazu eingesetzt werden, neue Spender zu finden und weitere 2 die Gedärme von Büro- und anderen Kraten mit Luxusfastfood füllen. Der letzte Franken, ja der, der hat das Potential, die Welt zu verändern!

Freitag, 11. Januar 2008

Moral und "Religiosität", revolutionsbedingt

Lenin war Materialist. Schön. Daran hat er geglaubt, an die Unveränderlichkeit der naturwissenschaftlichen Wahrheit (ich denke nicht, dass er die Quantenmechanik kannte), an die unbedingte Wissenschaftlichkeit des Daseins, an die Bestimmung des Bewusstseins durch das Sein, durch die Materie. Davon unterschied sich auch Plechanow, pöser Menschewist keineswegs:

"Die Handlungen einzelner Individuen sind ein Resultat der sozialen Gewohnheiten, die nicht dem berechnenden Verstand, sondern der historischen Entwicklung der Gesellschaft ihre Entstehung verdanken. (...) Sie (ide blinden Kräfte der ökonomischen Entwicklung) bestimmen auch u. A. alle Arten menschlicher Berechnung, alle Äusserungen des menschlichen Egoismus." (Plechanow in seinem Buch über Cernysevskij)

Dieser einspurige Materialismus des russischen Marxismus hat diesen verkrüppelt, ihm den Samen eingespritzt für die zukünftigen totalitären Kinder der Revolution. Ein unbedingter, alle Lebensbereiche umfassender Glaube an eine harmonische Totalität (die haben alle Hegel gelesen, da bin ich sicher!), an den mit naturwissenschaftlicher Sicherheit auf marxistischer Linie heraneilenden Kommunismus - das ist fundamentalistische Religiosität in Reinkultur.

Die streng hierarchische Organisation der russischen Sozialdemokratie (durchgesetzt gegen die pösen Menschewiken, nicht, dass diese besser gewesen wären, gell) tat ihr übriges, jegliche Opposition gegen die "Generalline" der bolschewistischen Partei zu verunmöglichen, zu Ketzerei zu brandmarken und schliesslich zu erschiessen.

Victor Serge glaubt, und ich finde dass ein guter, ich würde sagen dialektisch.materialistischer, Gedanke, dass der Totalitarismus des Bolschewismus ein Resultat der zaristischen Despotie war. Einerseits die übermächtige, von den Bolschewisten übernommene Bürokratie. Andererseits das soziale Sein einer durch und durch hierarchisierten, despotischen Gesellschaft. So wirkt das im Zarismus geschulte Bewusstsein wieder zurück auf die politische Realität nach dessen Sturz. Damit wäre dann das Geschichtsbild nicht mehr so einspurig und der dialektische Materialismus hat wieder einmal bewiesen, was für eine Hure er ist, dass er sich von einem Anarchisten dazu benutzen lässt, Kommies zu erniedrigen...








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Samstag, 5. Januar 2008

Was tun? Hugo weiss wie's geht!

Einst von einem kahlköpfigen Materialisten gestellt, verliert diese Frage nicht an Aktualität für jeden, der an einer tiefschürfenden Veränderung der geselschaftlichen Verhältnisse interessiert ist. Was tun?

Die freie Welt bietet dazu eine Unmenge an Ideen, institutionalisierten Fertigprodukten gleich. "Du willst was ändern?" fragst du. "Wieso machst du nicht Yoga?" wird man dir antworten. Überhaupt, lassen wir zwei fiktive Leute das Thema beredeb, anstatt uns selbst den Mund und die Tasten schmutzig zu machen mit fremder Federn Tinte...


Wir befinden uns in den prächtigen Wandelhallen eines anonymen Parlaments, flauschige Sessel laden dazu ein, bei staatlich verordneter Rauchabstinenz von den Qualen einer langen Sitzung Erholung zu suchen.
Drei der rosa Sessel sind einander gegenüber gestellt, merkwürdige Gestalten füllen den Hohlraum ihrer abgesessenen Sitzflächen. Zur Linken (von mir her betrachtet, von ihnen her - rechts) Hugo, bärbeissiger Oberst, mit verbundener rechter Hand und einer Offiziersuniform, die Gesichtszüge zu einem verkrampften Lächeln verzogen. Ihm gegenüber Joschka, sichtlich begeistert von den Ausführung Hugos, die buschigen Augenbrauen verzückt in die Höhe gezogen, setzt gerade zu einer Antwort an. Der dritten Person im Bunde wenden wir uns zur gegebenen Zeit zu...

Joschka: Du berührst mich. Gross sind deinen Worte. Ein praktischer Marxist, mit guter historischer Analyse, das braucht Russland... nein, Venezuela, nicht? WO sind wir gleich?

Hugo: Venezuela, aber lass mich ausreden... Also, nach ergebenster Revision meiner Annahmen, ich würde eine Revolution machen, kam ich ja eben zum Schluss, es sei historisch materialistisch bewiesen...

Joschka: Er hat dich gebissen! (schüttelt sich wieder vor Lachen, boshaft-jovial grinsend)

Hugo: Aber das tut doch nichts...

(es ist Zeit, dass der bisher schweigende, vor sich hin dümpelnde, vorgestellt wird. Es ist Karl, mit blutigem Bart und einem grotesk zwischen Wahnsinn und intelektueller Überzeugung schwankendem Gesichtsausdruck)

Karl: Jede neue historische Situation verlangt von einem Revolutionär eine dialektische Analyse.

Joschka: Eine bissige Analyser! (Der Leser stellt sich jetzt das gleiche Bild wie beim letzten Einwurf Joschkas in seiner Phantasie vor, welche sowieso für die Imagination der Umstände dieses Spektakels gänzlich unabkömmlich ist)

Karl (leckt mit einer einen Ochsen stolz machenden Zunge etwas Blut von seinem verfilzten Bart): Die Darstellung der Produktivkräfte auf seiner Hand war gämzlich unleserlich. Durch die Brille, oder vielmehr das Gebiss des historischen Materialismus betrachte erst ergaben sie Sinn!

Joschka: Genau! Das Gleiche habe ich mit Bucharin gemacht. Einmal reinbeissen und der zweite Biss schmeckt schon besser. Aber die besten Happen gabs damals in Spanien. Wieviele Leute in den Dreissigern falsche Linien hatte, versteht ihr? Und ich beisste mich durch!

Hugo: Du bist ein Vorbild, meine Uniformtaschen sind deinem Scheitel nachempfunden!

Karl: Wichtig ist, den Glauben an die Revolution nicht zu verlieren. Jetzt sammeln wir Kräfte im Parlament, morgen schon ist das Proletariat bereit. So verdient jede Situation ihre besondere Aufmerksamkeit der Sozialdemokratie. Ist der Sozialdemokrat müde, dann wachsen auf dem Acker der Revolution keine Rüben!

Hugo: Nicht verstehen.

Joschka: Ich schliesse mich dem Vorredner an, bitte aber die Zensur, doch nach fragwürdigen, Trotzkistischen, Rechtsabweichlerischen oder anderen konterrevolutionären Stellen in seiner Aussage zu suchen, sie könnten durchaus unter den Tisch gefallen sein!

Karl: Hört zu! Wichtig ist vor allem, die Revolution überall zu sehen, sie aber nicht zu suchen! Ein Sozialdemokrat weiss auf den richtigen Zeitpunkt zu warten!


Lautsprecher: Vernehmen sie das nächste Mal: "Bitte, bitte lasst mich Bürger sein", eine weitere Episode unserer sozialistischen Schimären...


Hilfreich, nicht? Für mich schon, liest man sich durch geschichtliche, die Entwicklung der Gesellschaft betreffende Passagen heutiger und früherer "historischer Materialisten" oder "sozialistischer Wissenschaftler" von Marx über Lenin bis Stalin, so fällt vor allem eines auf: Eine Art Selbstbeweis der Propheten. Sagt uns der historische Materialismus, dass alles philosophische, ideologische, künstlerische eine direkte kausale Folge der ökonomischen Entwicklung ist, so bietet die Entwicklung der Sozialdemokratie, beziehungsweise ihrer Interpretation eben dieses historischen Materialismus, einen guten Beweis für nochmal eben diesen. Dies geht bis zu einer für eine so dogmatische Theorie unglaublichen Anpassungsgrad. Und die Theorie bleibt logisch konsistent, zumindest oberflächlich. Jeder der grossen Theoretiker der russischen Sozialdemokratie, Plechanow, Lenin, Trotzky und Bucharin (der ideologische Hofhund Stalins) konnte bei seinen Ausführungen auf den historischen Materialismus zählen. Er ist so relativistisch, dass am Schluss die historischen Umstände der ökonomischen Entwicklung jede Geisteshaltung rechtfertigen können. Von parlamentarischem Revisionismus über terroristische Attentate bis zu totalitärem Staatskapitalismus.
Und sogar mir könnte der historischen Materialismus dazu dienen, die ideologischen Fehler eben dieser Sozialdemokraten aus relativistisch-historischer Perspektive zu erklären, zu brandmarken oder zu rechtfertigen. Was für ein Instrument haben die Marxisten sich da geschaffen! Das theoriegewordene Uhrwerk einer harmonischen Welt, dessen letzter Schlag immer der Kommunismus sein muss! Schöne neue Welt! Für einen Marxisten kommt die Revolution immer, alles wird gut!

Eine andere Idee? Keine Theorien mehr, sie sind nur Prostituierte? Zwei Dinge, die ich aus meinem Leseausflügen in die russische Revolution gelernt haben will: Der Zweck heiligt nie die Mittel, schon gar nciht die gewalt von Lohnabhängigen gegen Lohnabhängige (Ukraine, Kronstadt, Spanien, Ungarn, Prag, Polen...) Und dann noch: Herrschaft korrumpiert, und Institutionen generieren Herrschaft, also machen wir eine neuen Theorie, mit möglichst schönem Namen: anarchokommunistischer Postinstitutionalismus?

Schönes neues Jahr, es gibt bestimmt eine Revolution, da bin ich sicher!

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Dienstag, 11. September 2007

Einige Gedanken über Venezuela

In letzter Zeit häufen sich in jeglichen Medien Artikel und Kommentare über Venezuelas Entwicklung seit dem Auftreten Hugo Chavez'. Linke und rechte kommerzielle Medien scheinen bei ihren Lesern reges Interesse an solchen Texten zu vermuten.

Hinter der ganzen Aufregung steckt die lustige Idee Chavez', seine zweite Amtszeit mit dem Titel "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" zu behaften. Das Schöne für uns ist, dass wir somit damit rechnen können, zumindest jedes Jahrhundert mit einem neuen Sozialismus beglückt zu werden. Die Krux liegt nun, für aufmerksame Leser, im Passiv des letzten Satzes. "Beglückt zu werden". Jemand anders tut also die ganze Arbeit für uns und erdenkt sich jedes Jahrhundert ein neues theoretisches Konstrukt, mit Hilfe dessen (und autoritärer Machtausübung... ach, diese Bemerkung kommt zu früh im Artikel!) wir (also er) für Gerechtigkeit und gegen Imperialismus kämpfen können.

Chavez greifft in Rethorik wie in Taten auf altbekannte Rezepte zurück und garniert diese dann mit "modernen" Elementen. Ich gehe das Ganze in zwei Schritten an. Zuerst die Rethorik, dann die Taten.
Rethorik: "Imperialismus", "Sozialismus", "Gerechtigkeit", wer liebt diese schönen Worte nicht. Chavez hat sie gepachtet. Jetzt sogar für mehr als zwei Amtszeiten und mit Unterstützung des vorherigen Besitzers Fidel Castro, der zur Zeit nicht zu erreichen ist. Wie oft in der Politik greifft Chavez auf eine einfache integrativ-ausschliessende Polemik zurück. Auf der einen Seite konstruiert er das Böse: die USA, die "Imperialisten", die Oligarchen im eigenen Lande. Auf der anderen Seite die Guten: Venezuela, Bolivar, die sozialistische Einheitspartei, das "Volk" und andere "Antiimperialisten"(erstens ist es langsam nervend, soviel Anführungs- und Schlusszeichen zu setzen und zweitens finde ich es anmassend, Ahmadinejad und Gaddhafi als Antiimps zu bezeichnen, ich muss es jedoch tun, um Chavez' Redesnweise treu zu bleiben, sorry). Anahnd solcher Schemata ist es einfach, politische Geschehnisse auf simple Phrasen herunterzudreschen und als wissenschaftlich zu verkaufen. Vorbilder findet man in 100 Jahren wissenschaftlichem Sozialismus.
Soweit also nichts neues, das sich gleich als "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" verkaufen liesse.
Taten: Es gibt unbestritten einiges, womit Chavez einer grösseren Anzahl Menschen in Venezuela geholfen hat. Soziale Missionen, mit Petrodollars bezahlte kubanische Ärzte, bolivarische Universitäten für die Armen. Die Integration armer Bevölkerungskreise in das politische System Venezuelas wurde nicht nur mit der Partei Chavez' verstärkt, sondern auch durch mehr Rechte für indigene Völker und die zarte Einführung einer Gemeindeautonomie. Soweit in groben Zügen, was in der linken Öffentlichkeit (nicht so bei mir) durchwegs positiv aufgenommen wird.
Negativer fallen die Urteile, je nach Betrachter über folgende Dinge aus: Beschneidung der Medienvielfalt, einseitig ausgerichtete Wirtschaft mit grosser Abhängigkeit vom Erdölabnehmer und Bösewicht USA, politischer Werdegang als Putschoffizier, Änderung der Verfassung zwecks Verlängerung des Mandats Chavez', Gängelung der Gewerkschaften, Ignoranz bis Unterdrückung gegenüber Fabrikselbstverwaltungen von Arbeitern.

Was stört mich nun so ungeheurlich, dass ich mir die Mühe mache, zu schreiben?

Im Vordergrund steht für mich die Tatsache, dass ein Militäroffizier daherkommt und erklärt, er habe vor, "seinem" Land den Sozialismus zu bringen. Sozialismus wird nciht von Führern gemacht, sondern von den Arbeitern, Angestellten, Erniedrigten und Beleidigten selbst. Wohin führt eine sozialistische Einheitspartei, wohin führt die Vereinnahme von grossen Unternehmen durch den Staat? Wohin die Gängelung von Medien und Arbeitnehmerorganisationen? Das hatten wir alles schon! DDR, UdSSR, China lassen grüssen. In solcherweise organisierten Gesellschaften gibt es keine Eigeninitiative der Arbeitnehmer, keine Selbstregierung oder Sozialismus. Verstaatlichung von Gesellschaft und Wirtschaft führten weder im 20. jahrhundert in den Sozialismus, noch werden sie dies im 21. tun. Die Bolschewisten töteten die revolutionäre Dynamik von 1917 durch ihr blosses Dasein als politische Partei, durch die Einführung einer Regierung (Rat der Volkskommissare), das Verbot anderer sozialistischer Bewegungen und Medien, durch die Nationalisierung der Wirtschaft und durch die Bündelung der Kontrolle der Wirtschaft un der Politik in den Händen weniger. Nicht zuletzt hat auch die Kontrolle des Staates über die Gewerkschaften (von Trotzki vehement gefordert) die Initiative der rebellischen ArbeiterInnen getötet.

Und Chavez glaubt nun, mit einerseits bürgerlich-liberalen Anliegen, wie der Integration aller Bevölkerungsmassen in den (repräsentativ-)demokratischen Prozess, der Förderung von Minderheitenrechten und der sozialen Ausbalancierung des Kapitalismus durch Wohlfahrtsmechanismen sowie durch staatssozialistische und autoritäre Politik den Sozialismus einzuführen. Humbug!


Ein Ausblick in die Zukunft zum Schluss: Chavez' nationalisiert und bürokratisiert zur Zeit immer weitere Teile der venezolanischen Gesellschaft. Sehr geschickt versucht er durch bolivarische Räte und beschränkte Gemeindeautonomie die Leute an der Basis für seine Bewegung zu mobilisieren. Durch die mehr als zweidrittel Mehrheit im Parlament kann er ohne Probleme die Verfassung ändern, wie ja schon getan. Da er auch über eine grössere Strassen-Mobilisationskraft als die Opposition verfügt und es in seiner Macht liegt, die Medien noch weiter zu beschneiden, liegen in naher Zukunft keine Steine in seinem Weg zum "Sozialismus des 21. Jahrhunderts". Schlechte Aussichten also, denn es existieren neben den rechtsliberalen und den Chavez-nahen Gewerkschaften wenig genuin arbeitnehmerische Organisationen, welche dieser Entwicklung wirklich Paroli bieten könnten. Also nix neues im Süden und auf bald!


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Montag, 13. August 2007

Stammtisch für Insider, ohne Folgen

(Es treffen sich wie immer am dritten Montag nachdem Jupiter im dritten Haus stand, Vladimir, Joschka, Karl und Hugo auf ein Bierchen bei Leo; Leo hat eine Erkältung, Joschka spricht mit Akzent)

Karl: Los Hugo, lass mich dir die Zukunft voraussagen, zeig mir die Linien deiner Handbedingungen!

Hugo: Was? Musst du immer in Rätseln reden, el commandante versteht dich nicht, was für Bedingungen?

Leo(schnoddert wie ein Elch): Eure Biere ... Er will deine Hand sehen, mach ihm den Gefallen.

Joschka: Da wo ich herkomme trinken wir nur verdünnten Wein...

Leo(schlurft zur Küche zurück, zischend): Du hast noch ganz anderes verdünnt.

Karl: Hugo, Du machst das schon richtig, in Verbindung mit deinem Bierhefesatz sagen deine Bedingungen ohne Umschweife, dass eine revolutionär-demokratische Umwandlung an der Reihe ist, aber mit dieser kurzen Proletarierlinie erreichst du den Sozialismus noch nicht.

Hugo: Wir machen langsam. Aber gut. El presidente macht eine bolivarische Revolution, friedlich. So errreichen wir den Sozialismus des 21. Jahrhunderts.

Vladimir(keucht, spuckt aus): Wer denkt, eine Revolution lasse sich ohne Erschiessungen machen, muss ein Idiot sein.

Karl: Seiner kurzen Stirn nach ist Hugo ein Idiot...

Leo(kommt, gekleidet in eine hellblaue Küchenschürze und bewaffnet mit einem dialektischen Elektromixer, aus der Küche zurück ins Wohnzimmer): Seid nett zueinander, sonst gründen wir wieder eine Extrakommission und stellen die Pflicht zur Gleichschaltung unter das Kriegsrecht!

Joschka: Au ja! Erschiessungen! Fein, nicht wahr, Vladja?

Vladimir(jetzt auch genervt): Nenn mich nicht so, Georgier! Ich nehm dir deine Sekretärin weg!

Joschka: Ha! Einmal im Büro, immer im Büro, einen Sekretär kriegste so leicht nicht aus dem Haus!

Leo(zischend): Wie recht der Bauernlümmel doch hat...

Hugo(mit grossen blauen, fragenden Augen): Muss man zuerst Erschiessungen machen, oder zuerst Einheitspartei?

Leo(immer noch mit Mixere): Das ist ein dialektisches Verhältnis, überhaupt, der dialektische Materialismus hat Antwort auf alle deine Fragen,Hugo.

Hugo: Wer hat meinen Hamster geschwängert? Du oder Joschka?

Leo: Joschka

Karl: Die Geschichte wirds zeigen! Vielleicht schon morgen!

Joschka: Ihr redet, ich handle, so war das schon immer. Eine dialektische Arbeitsteilung von Kopf und Fuss... oder so...

Vladimir: Diese bürgerliche Arbeitsteilung muss aufgehoben werden! Unterstütze sie nicht noch, Joschka!

Leo: Jawohl! Drecksbauernlümmel, lies mal Marx!

Karl(auffahrend aus Revolutionsträumen, neugierig-stolz): Wer liest mich? Wo?

Hugo: Für nächsten Stammtisch wir brauchen Integrationsfigur. Wir sind dialektisch verstritten! Ay!

Leo: Die Einheitsfront (Wie damals... in Deutschland...hach, die Revolution war so nah!) muss wieder her! Eigentlich stimmen wir doch in den wesentlichen Punkten überein!

Joschka: Ich geh pinkeln.

Karl(noch verträumter): Oder wir lassen uns in Parlamente wählen und treffen uns in den Wandelhallen, da hats so kuschelige Sessel... wie damals, in Friedrichs Haus... Dort könne wir uns dann auch einigen.

Hugo: Wieso keine verfassungsgebende Versammlung? Die tagen länger und ohne Zeitdruck, ausserdem...

Leo: Ich organisiere die Erschiessungskommandos für die Bürgerlichen, deren Sitze wir einnehmen werden und du, Karl, organisierst die Nachwahlkampagne, Vladimir, du stehst einfach neben mich, bei allem, was ich tue, ausserdem sorge dafür, dasss meine Haare immer schön im Wind flattern.

Joschka(kommt zurück vom Klo): Gehts los?

Karl: Es ist ein dialektischer, harmonischer Prozess, er hat weder Anfang noch Ende und alles wird gut.

Leo: Die Würste sind die Feinde der Revolution, die Absage an die Dialektik!

Karl(an Leo gewandt): Was sagst du?

Leo: Nichts, ich arbeite an einer neuen Theorie... Na dann, Jungs, vorwärts!

(Alle): Vorwärts!!


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Samstag, 7. Juli 2007

bitte, bitte, lass mich grün sein!

auf zum erdlebentag! oder lebeerdtag? oder gar erdbeertag?

es ist schon fast unglaublich, politisches engagement kann modisch sein. ein jeder kann und will "grün" sein. energiesparlampen, velofahren und erdbeeren aus dem züribiet, was gibts einfacheres? jeder kann das und... SOLL das. wirklich?
in transnational medial inszenierter manier wird mir heute wieder einmal grüngemacht, dass der mensch schuld ist am klimawandel, die lösung aber ganz nahe liegt und wir mit gemeinsamen kräften und guter musik das ganze schon schaffen. wirklich?
charismatische persönlichkeiten aus politik und kultur kämpfen seite an seite für eine nachhaltigere gesellschaft, für uns alle, sogar für unsere wirtschaft. aha?

an revolutionärer romantik nur noch übertroffen von dem schrei nach 0.7% BIP für die entwicklungshilfe, entwickelt sich eine dynamik, die in medialer perfektion, sowohl problem und ursacher, als auch die lösung benennt. kurz gefasst:
(1) erde(a priori gut) + mensch(von zweifelhaftem charakter) = erde(dreckig.
(2) erde(jetzt dreckig) - vierradautos - erdbeeren aus südafrika - entwicklung in china = erde(gerettet).

die politik hat also letztendlich eine lösung für ein problem gefunden, an dem wir ALLE schuld sind und zu dessen lösung wir auch ALLE beitragen müssen. wieso?

es ist eine einfache refokussierung. anstatt eine keinesfalls nachhaltig wachsende wirtschaft ins zentrum der anklage zu stellen, wird das individuum an den pranger gestellt. der mensch müsse seine bedürfnisse einschränken, teurere lampen kaufen, umweltverträglicheren strom konsumieren und überhaupt endlich lernen zu verzichten. (wir müssen lernen, zu verzichten, denn wie sonst soll der dreizehnte monatslohn, bezahlte ferien, arbeitsplatzsicherheit, minimaler materieller wohlstand den arbeitnehmenden abgeschwatzt werden... aber das ist ein anderes thema)

während ich also nach fünf minuten von "an unconvenient truth" auf "die mumie" zwecks besserer unterhaltung umschalte, dürfen wir uns alle in unserer kollektivschuld wälzen und öffentlich busse tun... im bewusstsein, wie unglaublich wichtig es sein kann, sich zur läuterung der eigenen seele von den echten, fast schon schwer zu lösenden problemen ablenken zu lassen.

viel spass mit unseren gewissen! mögen sie durch diesen unseren gemütlichen fernsehabend beruhigt werden und die welt ihrer erretung durch die politik ein stück näher kommen!


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